MENSCHEN IN GRUPPEN

Die Gruppenpsychoanalyse hat ihre Grundlagen in der Theorie und Technik der Psychoanalyse Sigmund Freuds und konzentriert sich vor allem auf das Spannungsfeld zwischen Individuum und Gruppenkollektiv. Je nach gruppenanalytischem Ansatz variieren die Schwerpunkte therapeutischer Interventionen. Die Gruppenpsychoanalyse ist eine gesetzlich anerkannte Psychotherapiemethode. Bei krankheitswertigen Fällen besteht eine Rückverrechnungsmöglichkeit mit allen Krankenkassen.

Gruppenpsychoanalyse nach S.H. Foulkes

S.H. Foulkes betrachtet den einzelnen als Bestandteil seines Milieus, das nur in abstrakter Weise von ihm getrennt werden könne. Er sieht die Gruppe als ein "Interaktionsnetzwerk" an, in dem die Mitglieder zueinander in Beziehung stehen und jeder das Netz seiner Primärgruppe zu etablieren versucht. Die freie Kommunikation entspricht der freien Assoziation in der klassischen Psychoanalyse. Das Verhalten eines Gruppenmitglieds setzt bei anderen psychische Prozesse in Gang, die mit dem Geschehen in der Gruppe, aber auch mit den individuellen Lebensgeschichten der Betroffenen in Einklang stehen. Foulkes bezeichnet diesen Vorgang als "Resonanz". Der Analytiker bezieht seine Deutungen im allgemeinen auf die Gesamtgruppe, kann sich aber auch an den einzelnen richten.

Gruppenpsychoanalyse nach Raoul Schindler

Raoul Schindler sieht in der Gruppe den Zusammenschluss von Individuen im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel, auf die Bekämpfung eines Gegners. Er betont eine Ranghierarchie in der Gruppe, in der jeder eine bestimmte Rolle bzw. Position einnimmt. Deren Zusammenspiel ergibt die "Soziodynamische Grundformel", wobei zwischen einer Alpha-, Beta-, Gamma- und Omega-Position unterschieden wird, die einen Einfluss auf das Ich ausübt (Ich-Stärkung, Reaktionsbildungen, Ich-Schonung, Ich-Schwächung). Die Deutungen beziehen sich vor allem auf die Gruppenpositionen. Der Therapeut kann wie jedes Mitglied der Gruppe seine Position wechseln und dadurch das Gruppengeschehen beeinflussen. Es handelt sich um ein Interaktionsmodell des Gruppengeschehens, bei dem die intrapsychische Ebene nicht einbezogen wird. Die Gruppenpsychoanalyse macht die Verknüpfung von Individuum und Kollektiv deutlich. Durch die Analyse von intrapsychischen wie auch von der Gruppe wirksamen Phänomenen (Widerstand, Übertragung, Regression etc.) werden unbewusste hinderliche Problemmuster der Gruppenmitglieder bewusst gemacht.

Gruppenpsychoanalyse nach W. Bion

Wilfried Bion hebt neben der "Arbeitsgruppe", die die bewussten Ziele der Gruppe auf relativ hohem intellektuellem Niveau und ausgeprägter Kooperationsgemeinschaft verfolgt, auch eine regressive Ebene des Gruppengeschehens hervor, welche den Anforderungen der Gruppenarbeit entgegenwirkt und von "Grundeinstellungen" geleitet wird. Darunter versteht er die emotionalen Bestrebungen, die Gruppe am Leben zu erhalten. Bion unterscheidet zwischen folgenden drei Grundeinstellungen: Abhängigkeit (die Gruppe erwartet vom Führer die Erfüllung ihrer passiven Erwartungen von Nahrung und Sicherheit), Kampf und Flucht (die Gruppe bekämpft einen inneren oder äußeren Feind, um ihren Bestand zu sichern oder geht einer Bedrohung aus dem Weg) und Paarbildung (die Gruppe erhofft die Erfüllung ihres Fortbestands durch die sexuelle Vereinigung zweier Mitglieder in der Phantasie, die die Geburt eines Führers sichern soll). Der Therapeut hat die Aufgabe, die jeweilige Grundeinstellung und die auf ihn gerichteten projektiven Identifikationen zu interpretieren. Durch die Deutungsweise auf frühkindlicher Ebene und die Sichtweise der Gruppe ausschließlich als ein Ganzes fördert Bion die Regression der Gruppe auf die Ebene der Grundeinstellung.

Gruppenpsychoanalyse nach W. Schindler

Walter Schindler geht davon aus, dass die Mitglieder im Gruppenprozess die Primärgruppe der eigenen Familie wahrnehmen. Der Leiter, der Autorität verkörpert, wird als Vaterfigur betrachtet, während die Gesamtgruppe als Mutter erlebt wird. Im Rahmen der komplexen Übertragung soll eine Analyse des Individuums mit seiner Lebensgeschichte in der Gruppe stattfinden. Der Zusammenhalt der Gruppe soll gefördert werden, damit ein "Wir-Gefühl" entstehen kann. Der Leiter als symbolischer Vater der Gruppe verkörpert zunächst Autorität, die aber im Laufe des Gruppenprozesses zugunsten einer demokratischen Teamarbeit abgebaut werden soll. Schindler sieht in der Gruppe nichts Konkretes, sondern nur eine Konzeption, mit der man arbeitshypothetisch umgehen kann.

Die Balintgruppe" - psychoanalytische Gruppensupervision nach M. Balint

Die Balintgruppe ist eine gruppenpsychoanalytische Supervisionsgruppe, bei der die Gruppenmitglieder frei zu einer vorgestellten Fallgeschichte assoziieren. Die daraus resultierende Gruppendynamik spiegelt die unbewussten Anteile der zwischenmenchlichen Interaktion zwischen professionellem(r) HelferIn und Hilfesuchendem(r). Die Balintgruppe wurde von dem ungarischen Psychoanalytiker Michael Balint für ÄrztInnen begründet, eignet sich im Prinzip aber für alle helfenden Berufe. Der Begriff Balintgruppe wird heute inflationär auch als Synonym für Supervisonsgruppen verwendet, die mit dem psychoanalytischen Modell von Balint nichts mehr gemeinsam haben.